GRÜNE Kandidat*innen diskutierten das Thema Frauen 2023 und damit die Gleichberechtigung – Katharina Schulze: „Bayern soll erstes gleichberechtigtes Bundesland werden“ 

Angelika Rütz-Holst, Bärbel Imhof, Katharina Schulze, Kerstin Celina, Anja Baier, Armin Beck, Kathrin Hartmann Fotografin Kathrin Hartmann

In ihrem Eingangsstatement machte die grüne Spitzenkandidatin für die Landtagswahlen in Bayern, Katharina Schulze, deutlich, was eines der wichtigsten grünen Ziele ist: „Ich möchte, dass Bayern das erste gleichberechtigte Bundesland wird.“ Über die aktuelle Situation der Frau¬en im Jahr 2023 dis¬ku¬tier-ten: Anja Baier, Direktkandidatin für den Landtag, Landtagslistenkandidat Armin Beck (beide Karlstadt), Bezirkstagsdirektkandidatin Bärbel Imhof (Lohr) und Bezirkstagslistenkandidatin Angelika Rütz-Holst (Zellingen) sowie die Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN im Landtag, Katharina Schulze. Die unterfränkische Spitzenkandidatin und Landtagsabgeordnete Kerstin Celina, moderierte das Gespräch in der sehr gut besuchten Alten Turnhalle in Lohr.
Mit drei kandidierenden Frauen und einem Mann liegen die Kreisgrünen weit über dem derzeit im Landtag vertretenen Anteil der Frauen von etwa 27 Prozent. „Wir sind noch weit entfernt vom Ziel: die Hälfte der Macht den Frauen“, sagte die grüne Kreisvorsitzende Kathrin Hartmann (Lohr) in ihrer Begrüßungsrede. Die Podiumsteilnehmer*innen brachten dazu ihre Eindrücke aus den tagsüber besuchten Einrichtungen und Unternehmen ein. Begonnen wurde am Vormittag mit der Besichtigung des Kinderhauses Heilige Familie in Karlstadt. Dort informierte die Leiterin über Rahmenbedingungen und die Personallage in den Kitas. Im frauengeführten Betrieb Feinblechbautechnik Müller in Frammersbach kamen die Themen Frauen in technischen Berufen und was es bedeutet als Frauen ein mittelständisches Unternehmen mit 120 Mitarbeiter*innen zu führen zur Sprache. Die dritte Station war die Sozialstation St. Rochus in Lohr. Dort wurde die Lage in der ambulanten Pflege besprochen.

Lage in den Pflegeberufen ist alarmierend – Auch Kitas finden kein Personal

Sowohl in der Pflege als auch in der Betreuung von Kindern zeigt sich das gleiche Bild: überall arbeiten hochmotivierte Menschen, aber es fehlen die Arbeitskräfte. In diesen Berufen arbeiten überwiegend Frauen und das meist in Teilzeit. Mangelnde Wertschätzung und ein schlechtes Image der sogenannten „Care-Berufe“ tragen zum Personalmangel bei. Daher müssen die Rahmenbedingungen zeitnah verbessert werden, um mehr Menschen für diese Berufe zu gewinnen, aber auch dort zu halten.
Anja Baier: „Um die Situation in den Pflegeberufen aber auch in den Kitas zu verbessern wäre eine erste Maßnahme, den Personalschlüssel anzuheben.“ Die Bezahlung sei nicht generell das Problem, vielmehr seien es Kriterien wie Arbeitszeiten und Bürokratie, keine Zeit für Patient*innen in den Krankenhäusern, für die zu Pflegenden in den Senioreneinrichtungen aber auch für die Kinder in den Kitas zu haben ist sehr frustrierend. „Damit bekommen weder zu Pflegende noch die Kinder die Aufmerksamkeit die bräuchten und verdienen.“

Um die Fachkräfte in der Pflege zu halten und neue zu gewinnen, müssen die Rahmenbedingungen attraktiver werden: Mehr Urlaubstage und Bonuszahlungen beim Einspringen aufgrund von Krankheitsausfällen. Die Besteuerung von Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdiensten müsse reduziert werden. Wertschätzung und Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen hält Baier für ausschlaggebend, damit Pflegekräfte in ihrem Beruf bleiben oder dorthin zurückkehren.

Bärbel Imhof sieht als einen Beitrag zu Verbesserung der Situation von Pflegenden Angehörigen das gerade auf Bundesebene verabschiedete Pflegeunterstützungs- und -Entlastungsgesetz. Dadurch werde etwas mehr Entlastung geschaffen. Imhof setzte sich für die Einrichtung einer Pflegekammer für die Menschen in den Pflegeberufen ein, damit diese eine Interessenvertretung bekommen. So könnten die Bedingungen in der Pflege verbessert werden. Dies sei dringend notwendig, um dem Personalmangel zu begegnen und die Arbeitskräfte im Job zu halten.

Laut den Zahlen, die Angelika Rütz-Holst recherchiert hat, gibt es in Deutschland etwa fünf Millionen pflegebedürftige Menschen, wovon zirka 84 Prozent zu Hause von Angehörigen – weit überwiegend von Frauen – gepflegt würden. Diese große Verantwortung und auch Belastung führten zu Burnout, Depressionen und körperlichen Erkrankungen. Pflegende Angehörigen bräuchten mehr Hilfen und zum Beispiel Entlastung durch Tagespflegeeinrichtungen. Rütz-Holst: „Problematisch ist oft auch der Umgang mit dem Personal in den Pflegeeinrichtungen. Wegen fehlender Fachkräfte müssen oft Mitarbeiter*innen aus dem Urlaub oder der arbeitsfreien Zeit geholt werden um Engpässe zu überbrücken. Das belastet das motivierte Personal und die Pflegedienstleitungen.“

Arbeitswelt – ohne Frauen undenkbar

Obwohl die Wirtschaft dringend auf ausgebildete und qualifizierte Fachkräfte angewiesen sei, werden Frauen immer noch schlechter als Männer bezahlt und finden keine akzeptablen Rahmenbedingungen vor, damit sie ihren Beruf mit Familie dauerhaft ausüben können. Die Spannbreite an Widrigkeiten ist groß und geht von ungleicher Bezahlung, nicht ausreichender Kinderbetreuung, fehlenden Tagepflegeangeboten für Angehörige bis zur verbesserungswürdigen öffentlichen Mobilität.

Armin Beck machte am praktischen Beispiel, dem vorausgegangenen Besuch bei Müller Feinblechbautechnik GmbH in Frammersbach deutlich, dass dort ein Unternehmen mit zirka 120 Mitarbeitenden von zwei Frauen geführt wird. Ein Beispiel, dass Frauen sehr gut eine Firma erfolgreich leiten können. Zu Beginn seines Berufslebens konnte er einer Frauenquote nicht viel abgewinnen, weil er davon ausging, dass sich Qualität durchsetzen würde und damit auch automatisch gute Frauen in Führungspositionen kämen. Die tatsächlichen Zahlen ließen ihn allerdings stark zweifeln: Nach dem Statistischem Bundesamt lag der Frauenanteil in Führungspositionen 1992 bei 25,8 und 2021 bei 29,2 Prozent. Beck: „Wenn wir in diesem Schneckentempo weitermachen, dauert es bis zum Jahr 2080 bis wir 40 Prozent erreichen.“ Er kritisierte die immer noch starre Zuordnung in Rollen. Davon seien Männer gleichermaßen betroffen.

Sorge-Arbeit ist weiblich

Das große Thema Sorge-Arbeit, war einer der am Abend diskutierten Bereiche in denen Frauen für sie völlig unbefriedigende Situationen und Lebenswelten vorfinden. Im Zweifel seien es immer die Frauen, die einspringen, wenn pflegebedürftige Angehörige Hilfe brauchen oder wenn die Kita wegen eines Personalengpasses zeitweise schließt oder einfach nur Schulferien sind. Katharina Schulze: „Sorge-Arbeit und Beruf müssen für alle vereinbar sein und auf mehr Schultern verteilt werden.“ Frauen seien viel zu oft wirtschaftlich abhängig und dann auch viel häufiger von Altersarmut bedroht, da sie ihren Beruf zeitweise oder gar ganz aufgeben. Das müsse sich ändern.
MdL Kerstin Celina: „Pflege und Sorgearbeit bereichert und belastet zugleich. Unter guten Bedingungen ist Pflege- und Sorgearbeit ein wunderschöner Beruf und eine Aufgabe, bei der man viel zurückbekommt. Unter schlechten Bedingungen, z.B. wenn es keine gesicherten Dienstfreizeiten und keine ausreichende Versorgung mit ambulanten Pflegediensten gibt, führt die Übernahme von zu viel Pflege- und Sorgearbeit zur psychischen und körperlichen Überforderung der Pflegenden und das sind immer noch überwiegend Frauen. Eine dauerhafte Lösung gibt es nur mit einer echten Gleichberechtigung, einer Stärkung der Pflegeberufe und der Familien, z.B. mehr Geld für Pflege und finanzielle Entlastungen für Familien, wie sie auf Bundesebene mit den Gesetzen der Ampel Regierung gerade angegangen werden.“